Ölziehen – Ayurveda für die Zähne
Wer schon einmal eine Ayurveda-Kur gemacht hat, kennt es vielleicht. Man steht morgens auf, trinkt etwas Wasser und dann wird „Öl gezogen“. Anfangs womöglich gewöhnungsbedürftig, bemerkt man schnell den wohltuenden und nützlichen Effekt des Ölziehens. Beanspruchte Zähne und Zahnfleisch regenerieren sich, Plaque, Zahnstein und Verschmutzungen werden vermindert, die Zähne sind gepflegt und nicht verfärbt. Aber wie funktioniert das?
Unser Verdauungsapparat
Unser Verdauungsapparat beginnt im Mund und endet beim Toilettengang. In der Mundhöhle landet alles, was wir essen – ungefiltert und in ziemlich großen Stücken. Unsere Zähne dienen zum ersten groben Zerkleinern, durch unseren Speichel werden der Nahrung Enzyme beigesetzt, die die Verdauung schon im Mund starten – Enzyme die Eiweiss, Kohlehydrate und Fett in einem ersten Schritt aufspalten. Unsere Nahrung ist zu einem großen Teil hochverarbeitet, es sind künstliche Zusatzstoffe zugesetzt, Fastfood, Alkohol, Kaffee und weißer Zucker setzen unseren Zähnen und unserem Zahnfleisch zu, die Mundschleimhaut wird angegriffen.
Einmal geschluckt, folgt unsere Nahrung dem Weg durch die Speiseröhre, in den Magen, durch den Dünn- und Dickdarm und alles, was unser Körper nicht benötigt und nicht verdaut, wird wieder ausgeschieden. Ein absolutes Hochleistung-System, das durch ein empfindliches natürliches Gleichgewicht und einem präzisen Zusammenspiel verschiedenster körpereigener Vorgänge funktioniert.
Ayurvedische Lehre
Der Lehre des Ayurveda liegt zugrunde, dass die Gesundheit präventiv erhalten wird, so wird Heilung erst gar nicht nötig. Ein ganz und gar moderner Ansatz, der mehr und mehr Einzug hält in unsere westliche Welt. Prävention anstatt Heilung wird von Ärzten, Krankenkassen und Gesundheitsorganisationen mehr und mehr als logischer Weg einer ausgewogenen Lebensführung betrachtet. Ayurveda ist uns hier weit voraus – seit Jahrtausenden wird diese aus Indien stammende Tradition und Kultur gelebt und gepflegt, mit immer größeren Erfolg und mit immer größerer Beliebtheit in immer weiteren Teilen der Welt. Es geht nicht nur darum, den Körper gesund zu erhalten, sondern auch den Geist und die Seele – hierfür ist das im Ayurveda tief verwurzelte Yoga und die Meditation von enormer Bedeutung.
Und warum nun Ölziehen?
Gesunderhaltung von Körper, Geist und Seele nach Ayurvedischer Tradition
Unser Leben ist oft von Hektik bestimmt. Der Wecker klingelt früh, schnell eine Tasse Kaffee, durch Stau und Gedränge ins Büro, mit Terminen vollgepackte Kalender, Freizeitstress prägen das Bild unseres Alltags. Immer mehr Volkskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, hohe Blutfettwerte oder Übergewicht machen sich breit. Ungesundes, schnell verzehrtes Essen tut ein Übriges, unseren Körper mehr und mehr zu schädigen. Was kann man tun, um diesen Einflüssen entgegenzuwirken?
Das Geheimnis ruht in der Einfachheit. Ein wenig früher aufstehen und ein gutes Frühstück und sich Zeit für Körperpflege nehmen. Entscheiden, welche Termine WIRKLICH sein müssen und welche delegiert werden können. Freizeitaktivitäten reduzieren, oder mit Sport und Bewegung an der frischen Luft verbinden. Warum sich nicht zum Walken im nahen Wald anstatt zum Kaffeetrinken verabreden? Die Lehre des Ayurveda, des Yoga, der Mediation und der Langsamkeit liefert hier eine umfassende Lebensberatung, jahrtausendelang erfolgreich praktiziert.
Fangen wir den Tag mit Ölziehen an und verinnerlichen dieses morgendliche Ritual, ist das ein wunderbarer Schritt in eine gute Richtung und in ein gesundheitsbewusstes Leben. Durch das Ölziehen werden Mundhöhle, Zähne, Zunge, Rachen und Mundschleimhäute gereinigt. Die im Öl enthaltenen Enzyme ziehen Beläge, Schmutz, Ablagerungen, Bakterien, Pilze, Viren und Schlacken heraus, die durch das Ausspucken aus dem Körper gespült werden. Der Organismus wird weniger belastet, ein Detox-Effekt tritt ein. Ölziehen wird mit der Verbesserung vieler Beschwerden in Verbindung gebracht, angefangen bei Zahnfleischentzündung, Karies-Prophylaxe über Verdauungsbeschwerden bis hin zu Linderung bei Stoffwechsel-Problemen wie zum Beispiel Gelenkbeschwerden bei Arthrose. Eine tiefe Reinigung der Mundhöhle bedeutet eine ganzheitliche Reinigung des Organismus – und davon profitiert der ganze Körper. Nicht zuletzt der schwindende Zahnbelag und damit weißere und frischere Zähne sinnvolle Argumente, das Ölziehen auszuprobieren.
Wie praktiziere ich Ölziehen?
Nach dem Aufstehen morgens trinkt man ein Glas abgekochtes lauwarmes Wasser. Streng nach Ayurveda wird für das Ölziehen nun hochwertiges Sesamöl benutzt. Im Folgenden werden zwei verschiedene Techniken des Ölziehens beschrieben:
Gandusha
Bei dieser Technik nimmt man einen Schluck Öl in den Mund. Das Öl wird im Mund hin und her geschwenkt und durch die Zähne gedrückt und gezogen. Dies ist eine gute Methode, „aktiv“ zu sein und tatsächlich etwas für die Gesundheit „zu tun“.
Anfangs wird es vielleicht schwerfallen, 2 – 5 Minuten durchzuhalten, aber so lange soll das Öl mindestens gezogen werden. Das Ziel: 20 Minuten tägliches Ölziehen. Man merkt, wie sich die Konsistenz des Öls in der Mundhöhle verändert. Erst ziemlich zäh und dickflüssig, wird das Öl mit der Zeit wässriger. Die Giftstoffe werden während dieses Vorgangs herausgezogen und im Öl aufgenommen. Auf keinen Fall darf das Öl geschluckt werden! Am Ende wird das Öl im Waschbecken ausgespuckt, es sieht nun fast milchig und sehr dünnflüssig, eventuell auch etwas schaumig aus.
Kavala
Bei dieser Methode wird mit einem Schluck so viel Öl aufgenommen, dass die gesamte Mundhöhle ausgefüllt ist. Hier muss man nicht 20 Minuten warten, 10 Minuten Zeit reichen aus, um die Wirkung zu entfalten. Nach Ablauf der 10 Minuten – anfangs sind es sicherlich weniger, da der Schluckreflex unterdrückt werden muss – wird das Öl ebenfalls ins Waschbecken ausgespuckt.
Egal welche Methode gewählt wird – nach dem Ausspucken werden die Zähne mit einer Zahnbürste, die mit Wasser befeuchtet wurde (ohne Zahnpasta!) abgebürstet, danach werden die Zähne mit klarem Wasser geputzt, alternativ kann die Zunge mit einem Zungenschaber abgeschabt werden.
Welches Öl soll benutzt werden?
Traditionell wird hochwertiges Sesamöl benutzt. Es gibt jedoch eine große Vielfalt an Ölen, die man – je nach Vorliebe – auch gut benutzen kann. Olivenöl, Kokosöl, Sonnenblumenöl, Rapsöl,… manch einer fühlt sich mit Kokosöl wohl, ein anderer wird Sonnenblumenöl bevorzugen – hier gilt es, persönliche Vorlieben herauszufinden und dafür einfach mehrere Öle auszuprobieren.
Allerdings und selbstverständlich soll darauf geachtet werden, dass ein absolut hochwertiges Öl benutzt wird. Kriterien wie Kaltpressung, Bio-Siegel, Sortenreinheit oder auch keine weiteren Inhaltsstoffe sollten gegeben sein.
Wer darf oder kann Ölziehen?
Vorsicht bei Amalgam-Füllungen! Durch das Ölziehen können Quecksilber-Bestandteile aus der Amalgam-Füllung gezogen werden. Diese Füllungen sind leider also eine Kontra-Indikation (ein No-Go) für das Ölziehen. Genauso sollte man bei Fieber oder akuten Krankheiten kein Ölziehen oder zumindest sehr viel Erfahrung damit haben. Anfänger sollten ausschließlich Öl ziehen, wenn die Körperfunktionen auf einem normalen Level funktionieren. An alles andere – zum Beispiel zur Vermeidung von Kopfschmerzen – muss man sich langsam herantasten, immer mit dem Fokus auf dem, was einem der eigene Körper sagt. Achtsamkeit ist hier das A und O, wenn die Wirkung zu stark wird soll das Ölziehen auf jeden Fall abgebrochen und ein wenig Ruhe eingehalten werden.
Wie oft soll Öl gezogen werden?
Auch hier gilt: Achtsamkeit ist das oberste Gebot. Eine routinierte Anwendung des Ölziehens findet täglich für 10 – 20 Minuten statt. Jeder kann für sich selbst herausfinden, wie diese zusätzliche Zeit in den morgendlichen Tagesstart passt, und der ein oder andere wird feststellen, dass die investierte Zeit schnell zur liebgewonnenen Gewohnheit wird und tatsächlich auch an anderer Stelle Zeit eingespart wird. Ein gesunder Organismus ist vital und leistungsfähig, und diese Kraft und Energie wird sich in unserem Alltag positiv bemerkbar machen. Wird also sorgfältig darauf geachtet, wie sich der Körper jeden Tag auf’s Neue anfühlt, so wird man schnell eine geeignete Praxis für sich entwickeln.
Was kann ich sonst für meine Gesundheit tun?
Eigentlich ist es ein offenes Geheimnis: Viel Bewegung, frische Luft, gesunde, ausgewogene und mäßige Ernährung, genügend Erholung, geistige Betätigung und vor allem auch die Vermeidung von toxischen Stoffen wie Alkohol, Nikotin, Drogen oder sonstigen Suchtmitteln sorgen dafür, dass es Körper, Geist und Seele gut geht.
Fazit:
Das Ölziehen hat positiven Einfluss auf die Mundflora. Schmutz, Bakterien, Keime usw. werden herausgezogen, die Wirkung entspricht laut einigen Studien der von medizinisch-reinigenden Mundspülungen. Zahnschmelz oder Zahnfleisch werden nicht angegriffen, im Gegenteil, die schonende Behandlung stärkt und pflegt Mundhöhle, Zahnschmelz, Zahnfleisch und nach und nach den gesamten Organismus.
Die Kosten für das Ölziehen sind gering, lediglich ein qualitativ hochwertiges Öl muss angeschafft werden. Der ein oder andere wird ein solches Öl aber eh in der gesundheitsbewussten und leichten Küche verwenden, so dass keine Zusatzkosten entstehen.
Für das Ölziehen „muss“ Zeit eingeplant werden – ein wohltuender Faktor, der unserem schnellen, stressigen Lebensstil entgegenwirkt. Langsamkeit und Achtsamkeit stehen als Gegenspieler zu Stress und Hektik.
Das Ölziehen steht modernen Volkskrankheiten wie Spannungs-Kopfschmerzen, Bluthochdruck, hohen Blutfettwerten, Übergewicht und vielem mehr mit der Verehrung und Wertschätzung des eigenen Körpers gegenüber. Eine ideale Übung, um seinem Körper gutes zu tun und sich auf das wesentliche zu konzentrieren: Unsere Gesundheit. Die innere Reinigung des Organismus und die – wenn man so will – äußere Reinigung der Mundhöhle, Zahnfleischtaschen, Zähnen und Zahnfleisch hat seine Wurzeln in uralten indischen Traditionen, die mehr und mehr von Ärzten und Organisationen unseres westlichen Gesundheitssystems erkannt und anerkannt wird.